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Sebastian Christ – Auschwitz-Häftling Nr. 2
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Otto Küsel, ein sogenannter „Berufsverbrecher“, kam als Häftling Nr. 2 nach Auschwitz, um als Kapo andere KZ-Insassen zu beaufsichtigen und zu drangsalieren. Der Mann, der für die Einteilung von sogenannten Arbeitskommandos zuständig war, aber tat das Gegenteil dessen, was von ihm erwartet wurde. Der Berliner Autor Sebastian Christ macht das in seiner Biografie, die Küsel als unbekannten Helden porträtiert und die mit ihrem Protagonisten per Du ist, überzeugend deutlich: „In Auschwitz kümmerte er sich zunächst vor allem darum, dass Häftlinge ein Arbeitskommando bekamen, das ihren Kräften entsprach. Er sorgte dafür, dass vermutlich hunderte Polen nicht von der SS durch Arbeit vernichtet werden konnten."
…
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Privilegierte Häftlinge
Die ersten 30 Kapos von Auschwitz waren fast ausschließlich sogenannte „Berufsverbrecher“, Menschen also, denen die Nazis attestierten, dass sie aus Gewinnsucht immer wieder Verbrechen begehen würden. Als Funktionshäftlinge, die gegenüber der Mehrzahl der anderen Insassen privilegiert waren, schienen sie geradezu prädestiniert dafür, das KZ-System aufrecht zu erhalten. Die ihnen zugedachte Aufgabe war es, einen Teil der Arbeit der SS-Wachmannschaften zu übernehmen und ihre weit unter ihnen stehenden Schicksalsgenossen zu terrorisieren. Viele Kapos taten dies mit brutaler Energie und sadistischem Einfallsreichtum. Otto Küsel verhielt sich anders. Aber warum? „Er hat in Ausschwitz menschliche Ideale gelebt. Und das ist tatsächlich etwas, was mich sehr fasziniert hat an seiner Geschichte. Trotz der Möglichkeit, die er hatte. Ich meine, wer als Kapo eingeteilt wurde, der hat vom System eine Chance bekommen", so Sebastian Christ.„Der gute Kapo“
Dieses Erstaunen teilt der Leser mit dem Autor. Otto Küsels Geschichte ist so beeindruckend, weil sie so außergewöhnlich und so unwahrscheinlich ist. Der Mann aus einfachen Verhältnissen, der schon 1937 ins KZ Sachsenhausen gesperrt und im Mai 1940 nach Auschwitz gebracht wurde, ist die Ausnahme von der Regel. Während andere Kapos zuweilen noch mehr gefürchtet wurden als die SS, war Küsel als „der gute Kapo“ bekannt. „Ob jemand ein Kapo war oder ob er eine andere Hilfestellung hatte oder ob er ein einfacher Häftling war, das ist alles dieses Prinzip „Teile und herrsche“ – die Leute sollten gegeneinander aufgebracht werden. Und er hat da einfach nicht mitgemacht", meint Christ. Sebastian Christ ist mehr als zwei Jahrzehnte lang den Spuren von Otto Küsel gefolgt. Er hat seine frühen Jahre als Hausierer und Bettler in den Blick genommen und Küsels Konflikte mit dem Gesetz noch während der Jahre der Weimarer Republik. „Die meiste Zeit zwischen 1929 und 1935 hat er wohl im Gefängnis verbracht“, schreibt Christ, der seine Biografie streng chronologisch aufgebaut hat. Er rekapituliert Küsels Zeit in verschiedenen Lagern und schildert die Flucht aus Auschwitz. Christ berichtet von den Monaten im Untergrund in Warschau, von der abermaligen Verhaftung und von der Rückkehr nach Auschwitz – nunmehr als „normaler“ Häftling: „Otto war der allererste Häftling meines Wissens, der nach Auschwitz zurückgekommen ist, der als der frühere Häftling erkannt wurde und der das dann überlebt hat. Dazu haben sehr viele spezielle Umstände beigetragen, aber in jedem einzelnen Moment muss er natürlich befürchtet haben, von der SS umgebracht zu werden." Otto Küsels Zeit als Kapo in Auschwitz vom Mai 1940 bis zu seiner Flucht im Dezember 1942 füllt zwar nur ein Kapitel, aber sie ist der Kern der Biografie. Es sind diese zwei Jahre, die seinen Lebensweg zu einem Besonderen machen. Wie sich sein Protagonist der unerbittlichen Logik der Lagerhierarchie entziehen konnte, das umreißt Sebastian Christ engagiert, lebendig und voller Empathie. Welche Kompromisse Küsel eingehen musste, um sich in einem perfiden System zu behaupten, das Brutalität belohnte und in dem er jederzeit seine Privilegien einbüßen konnte, das bleibt hingegen unterbelichtet.116 epizódok
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Otto Küsel, ein sogenannter „Berufsverbrecher“, kam als Häftling Nr. 2 nach Auschwitz, um als Kapo andere KZ-Insassen zu beaufsichtigen und zu drangsalieren. Der Mann, der für die Einteilung von sogenannten Arbeitskommandos zuständig war, aber tat das Gegenteil dessen, was von ihm erwartet wurde. Der Berliner Autor Sebastian Christ macht das in seiner Biografie, die Küsel als unbekannten Helden porträtiert und die mit ihrem Protagonisten per Du ist, überzeugend deutlich: „In Auschwitz kümmerte er sich zunächst vor allem darum, dass Häftlinge ein Arbeitskommando bekamen, das ihren Kräften entsprach. Er sorgte dafür, dass vermutlich hunderte Polen nicht von der SS durch Arbeit vernichtet werden konnten."
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Privilegierte Häftlinge
Die ersten 30 Kapos von Auschwitz waren fast ausschließlich sogenannte „Berufsverbrecher“, Menschen also, denen die Nazis attestierten, dass sie aus Gewinnsucht immer wieder Verbrechen begehen würden. Als Funktionshäftlinge, die gegenüber der Mehrzahl der anderen Insassen privilegiert waren, schienen sie geradezu prädestiniert dafür, das KZ-System aufrecht zu erhalten. Die ihnen zugedachte Aufgabe war es, einen Teil der Arbeit der SS-Wachmannschaften zu übernehmen und ihre weit unter ihnen stehenden Schicksalsgenossen zu terrorisieren. Viele Kapos taten dies mit brutaler Energie und sadistischem Einfallsreichtum. Otto Küsel verhielt sich anders. Aber warum? „Er hat in Ausschwitz menschliche Ideale gelebt. Und das ist tatsächlich etwas, was mich sehr fasziniert hat an seiner Geschichte. Trotz der Möglichkeit, die er hatte. Ich meine, wer als Kapo eingeteilt wurde, der hat vom System eine Chance bekommen", so Sebastian Christ.„Der gute Kapo“
Dieses Erstaunen teilt der Leser mit dem Autor. Otto Küsels Geschichte ist so beeindruckend, weil sie so außergewöhnlich und so unwahrscheinlich ist. Der Mann aus einfachen Verhältnissen, der schon 1937 ins KZ Sachsenhausen gesperrt und im Mai 1940 nach Auschwitz gebracht wurde, ist die Ausnahme von der Regel. Während andere Kapos zuweilen noch mehr gefürchtet wurden als die SS, war Küsel als „der gute Kapo“ bekannt. „Ob jemand ein Kapo war oder ob er eine andere Hilfestellung hatte oder ob er ein einfacher Häftling war, das ist alles dieses Prinzip „Teile und herrsche“ – die Leute sollten gegeneinander aufgebracht werden. Und er hat da einfach nicht mitgemacht", meint Christ. Sebastian Christ ist mehr als zwei Jahrzehnte lang den Spuren von Otto Küsel gefolgt. Er hat seine frühen Jahre als Hausierer und Bettler in den Blick genommen und Küsels Konflikte mit dem Gesetz noch während der Jahre der Weimarer Republik. „Die meiste Zeit zwischen 1929 und 1935 hat er wohl im Gefängnis verbracht“, schreibt Christ, der seine Biografie streng chronologisch aufgebaut hat. Er rekapituliert Küsels Zeit in verschiedenen Lagern und schildert die Flucht aus Auschwitz. Christ berichtet von den Monaten im Untergrund in Warschau, von der abermaligen Verhaftung und von der Rückkehr nach Auschwitz – nunmehr als „normaler“ Häftling: „Otto war der allererste Häftling meines Wissens, der nach Auschwitz zurückgekommen ist, der als der frühere Häftling erkannt wurde und der das dann überlebt hat. Dazu haben sehr viele spezielle Umstände beigetragen, aber in jedem einzelnen Moment muss er natürlich befürchtet haben, von der SS umgebracht zu werden." Otto Küsels Zeit als Kapo in Auschwitz vom Mai 1940 bis zu seiner Flucht im Dezember 1942 füllt zwar nur ein Kapitel, aber sie ist der Kern der Biografie. Es sind diese zwei Jahre, die seinen Lebensweg zu einem Besonderen machen. Wie sich sein Protagonist der unerbittlichen Logik der Lagerhierarchie entziehen konnte, das umreißt Sebastian Christ engagiert, lebendig und voller Empathie. Welche Kompromisse Küsel eingehen musste, um sich in einem perfiden System zu behaupten, das Brutalität belohnte und in dem er jederzeit seine Privilegien einbüßen konnte, das bleibt hingegen unterbelichtet.116 epizódok
Minden epizód
ׄEinsteigermesse“ für neue Sammler Die art Karlsruhe gilt als sogenannte Einsteigermesse, heißt: hier sollen neue Sammler „angefüttert“ werden. Doch mit welchem Kunstwerk soll man den Grundstock für eine eigene Sammlung legen? Das wird der Berliner Galerist Kristian Jarmuschek oft gefragt. Er ist seit dem letzten Jahr Vorsitzender des Beirats der art Karlsruhe und hatte die Idee zu einem neuen Messestand-Konzept mit dem Titel „Startblock“. Die Angebote gleichen allerdings einem Gemischtwarenladen, der einem die Auswahl keineswegs erleichtert. Impressionen von der art Karlsruhe 2025 Junge Talente beim Academy Square Da hängt zum Beispiel ein knallbuntes 3D-Blumenstrauß-Wandbild „Flower Bonanza“ von Stefan Gross für 6.500 Euro neben einer kleinen Lithographie mit stilisierten, schwarzen Vögeln vor weiß-blauem Himmel von Georges Braque für 2.700 Euro. Wer mutig ist und auf junge Talente setzt, sollte zum Academy Square gehen, wo sechzehn Absolventinnen und Absolventen der baden-württembergischen Kunsthochschulen ausgewählte Arbeiten präsentieren dürfen – auch eine Neuerung seit dem letzten Jahr. Einzugsgebiet der Galeristen vergrößert Zur Neuausrichtung der art Karlsruhe gehört auch, dass das neue Leitungsteam Kristian Jarmuschek und Olga Blaß den Einzugsbereich erweitern wollen. Gerade aus dem Rheinland haben sie einige neue Galerien für die art Karlsruhe gewinnen können. So wie das Galeristenpaar Thomas und Sylvia Rehbein aus Köln. Die Galeristin hat einen Querschnitt ihres zeitgenössischen Programms nach Karlsruhe mitgebracht: darunter Plastiken von Heinz Breloh und Gemälde von Julia Jansen. Auch der Berliner Galerist Thomas Taubert zeigt Gegenwartskunst, besonders auffällig: die farbintensiven Arbeiten von Markus Linnenbrink und Markus Weggenmann. Art Karlsruhe ist Gradmesser für das Kunstjahr 2025 Thole Rotermund aus Hamburg ist einer der Kunsthändler, die schon seit vielen Jahren in Karlsruhe vertreten sind und Klassische Moderne und Nachkriegskunst im Programm haben: in seinem Fall diesmal Franz Marc, Ida Kerkovius, Baselitz und Richter. Wie die meisten ist auch er mit dem Zuspruch am Preview-Tag zufrieden – obwohl die vier Hallen in den vergangenen Jahren zum Auftakt schon belebter waren. Auch 2025 beginnt das deutsche Kunstmessen-Jahr mit der art Karlsruhe. Deswegen sei sie auch immer ein Gradmesser für den weiteren Verlauf des Kunstmarkts, betont Thole Rotermund.…
Kaum jemand schaut in die Wahlprogramme der Parteien. Schon gar nicht in die üblichen Deklarationen zu Kulturpolitik und Kulturförderung. Dabei ist das eigentlich sehr spannend. Nirgendwo nämlich verraten die Parteien deutlicher, wie sie ticken. Wie sich selbst sehen. Ihre Pläne zur Kultur sind im Grunde Selbstbeschreibungen, eine Art Selbstbild. Wie diese Selbstbilder der Parteien aussehen, beschreibt Wilm Hüffer im Gespräch.…
Walter Kempowski hat vom „gurgelnden Chaos“ des Jahres 1945 gesprochen. Deutschland wird zum heftig umkämpften Kriegsschauplatz, auf den Straßen die Kolonnen der geschlagenen Soldaten, der Flüchtenden und der Displaced Persons. Während der Westen des Landes schon besetzt und in der Nachkriegszeit angekommen ist, wütet die SS andernorts noch gegen alle Regimegegner und Kapitulationswilligen. Auf den Todesmärschen sterben zahlreiche KZ-Häftlinge. Im Ort Gardelegen werden am 13. April noch Tausend dieser gestrandeten Elendsgestalten in eine Scheue gesperrt und bei lebendigem Leib verbrannt: Volkssturmführer Debrodt diskutiert das Vorhaben mit anderen Verantwortlichen: ‚Alle waren der Meinung, dass es nicht gut, aber notwendig sei.‘ Quelle: Volker Heise – 1945 Vollendeter Irrsinn des Dritten Reichs – nur einen Tag später treffen die Amerikaner ein. Der Horror von Gardelegen ist eine der vielen erschütternden Szenen in Volker Heises Chronik des Jahres 1945. Konträre Erfahrungen Wie in Kempowskis Geschichtsmonument „Echolot“ geht es Heise darum, durch eine kontrapunktische Komposition aus Zeitzeugenberichten die konträren Erfahrungen der Menschen zu vermitteln. Anders als Kempowski reichert er die vielfältigen O-Töne aber mit kommentierenden Passagen an, die allerdings immer dicht an die Erlebnisperspektive der Zeitzeugen gebunden bleiben. Großen Teilen der deutschen Bevölkerung liegt eine regimekritische Haltung bis zuletzt fern. Dann aber kippt die Stimmung. Viele überschlagen sich vor Eifer, den neuen Herren gefällig zu sein, da kann Goebbels noch so martialisch den Untergrundkampf des „Werwolfs“ beschwören. Ein hoher Mitarbeiter des Auswärtigen Amts notiert: Der deutsche Nationalcharakter eignet sich nicht für den Partisanenkrieg. Quelle: Volker Heise – 1945 So zerfiel das Dritte Reich wie ein Spuk. Erich Kästner , der sich selbst glücklich durch den Untergang laviert hat, stellt fest: Die Unschuld grassiert wie die Pest. Sogar Hermann Göring hat sich angesteckt. Quelle: Volker Heise – 1945 Und selbst der SS-Führer Heinrich Himmler geht am 6. Mai noch davon aus, dass er dank seiner organisatorischen Talente „eine wichtige Rolle in der Nachkriegsordnung einnehmen kann“. Der Alltag läuft weiter Reizvoll ist diese Jahreschronik, weil sie den Alltag über den Einschnitt des Kriegsendes weiterlaufen lässt. Ganz profan spiegelt sich das im Tagebuch einer Sekretärin, die vorher und nachher gleichermaßen Kino und Amüsement im Sinn hat – man könnte es als vitalen Trotz einer jungen Frau gegen die Verheerungen bezeichnen. Die deutschen Frauen werden 1945 zu Hunderttausenden Opfer der Massenvergewaltigungen durch die Rotarmisten. Für viele beginnt ein paar Monate später die zweite Tortur, wenn es darum geht, die Genehmigung und einen Arzt für die Abtreibung zu bekommen. Der Berliner Sommer 1945 riecht nach Schutt und Verwesung. Täglich ziehen die hoffnungslosen Trecks der Vertriebenen aus den Gebieten jenseits der Oder durch die Stadt. In Hitlers Neuer Reichskanzlei, vergleichsweise unbeschädigt, blüht die Prostitution im Tausch gegen Zigaretten. Erster KZ-Prozess Im September beginnt der erste KZ-Prozess in Lüneburg. Im Licht der Pressefotografen steht die junge KZ-Aufseherin Irma Grese, berüchtigt als „Hyäne von Ausschwitz“ und „Bestie von Belsen“. Die Verbrechen selbst aber werden schon zur Verhandlungsroutine. Der Korrespondent William Shirer schreibt: All jene scheußlichen Grausamkeiten, denen gegenüber wir schon verhärtet scheinen, werden einzeln beschrieben und aufgezählt. Die Angeklagten langweilen sich, desgleichen alle anderen im Saal. Quelle: Volker Heise – 1945 Angenehm ist der nüchterne Ton des Buches, das weder von oben herab doziert noch – im Florian-Illies-Stil – die Einfühlung forciert, sondern ganz auf die starken Zeitzeugen-Zitate vertraut. Volker Heise ist ein fesselndes, aspektereiches Geschichtspanorama über jenes Jahr gelungen, über das man gar nicht genug wissen kann. Denn 1945 ist das Fundament der Bundesrepublik.…
Im Stuttgarter Theater Rampe will die Künstlerin Ülkü Süngün bei einer Hanau-Gedenkwoche untersuchen, wie sich die Erinnerungsarbeit vor dem Hintergrund aktueller politischer Krisen verändern müsste und welche Rolle Solidarität dabei spielt.
„Wenn man ihnen einfach zuhört, erfährt man doch viel mehr als vielleicht in der akademischen Abhandlung", sagt Wierzchowski im Gespräch mit SWR Kultur. Sein Film zeigt eindrücklich, wie unterschiedlich die Familien mit ihrer Trauer umgehen, aber auch, wie sehr sie sich als Teil dieser Gesellschaft begreifen. „Was sie aber eint, ist, dass sie die Kraft aufbringen zu sagen: Ich gehöre zu dieser Gesellschaft“, betont der Regisseur. Dennoch fühlen sich viele von den deutschen Behörden im Stich gelassen. „Es fehlt eine ehrliche Aufklärung des Behördenversagens“, kritisiert Wierzchowski. Seine Doku macht deutlich, dass der Kampf der Hinterbliebenen für Gerechtigkeit und Anerkennung noch lange nicht vorbei ist.…
„Die Situation ist so, dass wir jede Menge an Desinformationskampagnen sehen“, erklärt Professor Thorsten Strufe vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Besonders populistische Parteien setzen verstärkt auf KI-gestützte Manipulation. „Interessanterweise kann man die KI aber als Mediennutzer mit ihren eigenen Waffen schlagen“, sagt Strufe. KI-Detektoren können dabei helfen, gefälschte Inhalte zu entlarven – doch sie seien nicht unfehlbar. „Das beste Mittel gegen die Beeinflussung des Wahlkampfs durch solche Deepfakes ist wahrscheinlich eine gut informierte Öffentlichkeit“, sagt der Experte. Entscheidend sei, dass Menschen verstehen, wie Desinformation funktioniert – um nicht unbewusst beeinflusst zu werden.…
Ein Schiff, das von New Orleans nach San Francisco wollte, musste den südlichsten Zipfel Lateinamerikas umrunden. Das dauerte und war teuer. So hatte bereits der Erbauer des Suez-Kanals, der Franzose Ferdinand de Lesseps, 1881 begonnen, einen Kanal quer durch die damalige kolumbianische Provinz Panama zu treiben. Das ging schief – wobei ein Grund dafür Krankheiten wie Gelbfieber und Malaria waren. Kurz darauf marschierten die USA ins mittelamerikanische Panama ein, sorgten für dessen Unabhängigkeit von Kolumbien und nahmen den Kanalbau wieder auf. Hier setzt der Roman „Der große Riss“ der US-Amerikanerin Cristina Henríquez ein: GESUCHT! VON DER ISTHMISCHEN KANALKOMMISSION. 4000 tüchtige Arbeitskräfte für Panama. 2-Jahres-Vertrag. Kostenlose Fahrt in die Kanalzone und zurück. Kostenlose Unterkunft und medizinische Versorgung. Arbeit im Paradies! Quelle: Cristina Henríquez – Der große Riss Der Panamakanal als Lebenschance Diesem Aufruf folgt die sechzehnjährige Ada von der armen Karibikinsel Barbados. Ihre Mutter hat kein Geld für die Lungenpunktion von Adas älterer Schwester und das Mädchen hofft auf den guten Lohn in Panama, um den Eingriff zu bezahlen. Sie findet einen Job im Haus des Forschers John Oswald, der in die Kanalzone gekommen war, um die Malaria auszurotten. Ada wird für die Betreuung von Oswalds lungenkranker Frau Marian eingestellt. Für den jungen Panamaer Omar bietet die Arbeit auf der Kanalbaustelle die Chance, sich von seinem Vater zu lösen, der will, dass Omar Fischer wie er wird. Die Autorin folgt Adas und Omars Familie sowie den Oswalds, um zu zeigen, warum Tausende damals auf den Kanalbau setzten und welche Opfer er ihnen abverlangte. Marian Oswalds französischer Arzt Pierre beschreibt, womit er sich täglich rumschlägt: Männer, die von den schwingenden Armen der Dampfbagger erschlagen wurden; Männer, deren Beine von vorbeirasenden Zügen abgetrennt wurden; Männer, die von Stromkabeln verbrannt wurden; Männer, die von Klippen gestürzt waren; Männer, die von Kränen gestürzt waren. Einmal war ein Mann auf die Station gekommen, dessen Knöchel auf die Größe einer Kokosnuss angeschwollen war, und hatte behauptet, dass eine dreizehn Fuß lange Schlange ihren Kiefer um ihn gelegt habe, als er durch das Dickicht gestapft sei. Quelle: Cristina Henríquez – Der große Riss Hitze und Malaria Die Autorin hat gut recherchiert, sodass sich die Leserschaft ein Bild davon machen kann, wie es damals zuging auf der Baustelle des 82 Kilometer langen Kanals. Sie beschreibt den keineswegs paradiesischen Umgang mit den Arbeitern seitens der US-amerikanischen Chefs und sie erzählt authentisch von Panama, von der Hitze, von den Lebensumständen, von der Malaria. Wenn sie in die Familiengeschichten eintaucht, drängen sich die Romane der Chilenin Isabel Allende auf. Wie sie, setzt auch Henríquez auf starke Heldinnen wie Ada oder ihre Mutter. Den Familiengeschichten fehlt allerdings das Blumige, Detailverliebte, das Allendes Erzählstil ausmacht. Wenn die Autorin von Omars Vater Francisco und seiner verstorbenen Mutter Esme erzählt, versucht sich Henríquez auch am Übersinnlichen, das Allende bestens beherrscht, kommt jedoch eher unbeholfen daher: Sie hielt ihre dunklen Augen auf ihn geheftet, und er fühlte sich seltsam gebannt. Es lag eine Art Zauber in der Tiefe dieser Augen. Ihre Freundin kicherte. Da bemerkte Francisco, dass er seine Hand noch immer in der Luft hatte. Er versuchte vergeblich, sie zu senken. Seine Hand wollte sich einfach nicht bewegen. Es war, als hätte sie sich in Stein verwandelt. Quelle: Cristina Henríquez – Der große Riss „Der große Riss“ liest sich flüssig, auch wenn ihm das Süffige fehlt, das Isabel Allendes Romane über Ereignisse aus der lateinamerikanischen Geschichte ausmacht. Wer an tragische Familiengeschichten vor historischem Hintergrund keine allzu großen Ansprüche stellt, wird „Der große Riss“ von Cristina Henríquez dennoch mögen.…
Begleitend zur Ausstellung „Gegen die Sprachlosigkeit“ fand in der Gedenkstätte KZ Osthofen am 17. Februar 2025 ein Comic-Workshop statt. Die vorwiegend jungen Teilnehmer sollten kleine Details, die ihnen beim Rundgang in der Gedenkstätte aufgefallen waren, mit dem Bleistift zeichnen. Anschließend wurden die kleinen Momentaufnahmen als visualisierte Geschichte zusammengefügt. Geleitet wurde der Kurs von der aus Karlsruhe stammenden freien Zeichnerin Julia Kleinbeck.…
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SWR2 Kultur Aktuell
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„Wyhl steht für die Lernkurve der deutschen Demokratie“, sagt der Historiker Frank Uekötter. Vor 50 Jahren besetzten Freiburger Studierende, Winzer und Bauern aus dem Kaiserstuhl den Bauplatz für das geplante AKW an der französischen Grenze. Neun Monate dauerte die Besetzung, aber erst nach 20 Jahren gab die Landesregierung das AKW endgültig auf. Ein Erfolg demokratischen Protests, aber für alle Beteiligten ein Lernprozess, so Uekötter. Für die Landespolitik, die erst langsam verstand, dass sie nicht über die Köpfe der Bürgerinnen und Bürger hinweg entscheiden konnte. Und für die Protestierenden, die sich selbst zu Expertinnen und Experten in Sachen Atomkraft und Planungsrecht ausbildeten. Für die Region selbst gehört der Mythos Wyhl mittlerweile Teil der Identität, für die Bundesrepublik waren die Proteste der Anfang der Anti-AKW-Bewegung. Frank Uekötter gießt aber auch etwas Wasser in den Wein: Das „Nein“ zu Wyhl habe aber auch deshalb so gut funktioniert, weil die Atomkraftwerke dann letztlich woanders gebaut worden seien.…
Das Literaturhaus Thurgau befindet sich in einem ehemaligen Handelshaus aus dem 17. Jahrhundert und steht mitten im kleinen Dörfchen Gottlieben. Für Karsten Redmann, der als Schriftsteller, Kulturjournalist und Literaturvermittler bereits in Hamburg, Berlin und zuletzt 20 Jahre lang in Bremen lebte, braucht ein Ort für zeitgenössische Literatur nicht unbedingt die pulsierende Großstadt. An Gottlieben grenzt ein Naturschutzgebiet und der Rhein fließt vorbei. Für Redmann Inspiration für seinen ersten Themenschwerpunkt des Literaturhauses: „Nature Writing“.…
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SWR2 Kultur Aktuell
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Sind die Hasen gut oder böse? Ein Hase, bewaffnet mit einer Armbrust, schießt auf einen Cybertruck von Tesla. Zwei andere schleudern mit einem Katapult Steinbrocken auf eine Drohne. Weiter hinten zieht eine ganze Gruppe ein Boot mit Geflüchteten an Land – oder führen sie die Geretteten gerade ab? „Es ist nicht immer so ganz eindeutig, ob diese Hasen eben gut oder böse sind. Sie sind manchmal mehr aggressiv und manchmal weniger. Aber sie haben immer eine Art Selbstermächtigung, die sie hier vornehmen“, sagt Hannah Cooke. Vor 500 Jahren wehrten sich Bauern gegen den Adel Die Künstlerin und ihre Hasen drehen den Spieß um. Auf einen Meter breite Aluminium-Spießspitzen hat Hannah Cooke ihre aufständischen Hasen geprägt. Silbern glänzend hängen die Spieße in der Kunsthalle Vogelmann von der Decke – wie bei einem Spießrutenlauf müssen die Besucherinnen und Besucher zwischen ihnen durch. Mit ihrer Installation holt Hannah Cooke den historischen Bauernaufstand in unsere Gegenwart: Vor 500 Jahren wehrten sich Bauern vom Allgäu bis nach Thüringen gegen den Adel. Und damit gegen erdrückende Abgaben, Hungersnöte und die Leibeigenschaft, die ihnen kein Stückchen Freiheit ließ. Für Hannah Cooke ist das der Ausgangspunkt für die Frage: Gegen wen müssen wir uns heute auflehnen? Gegen Tech-Milliardäre wie Elon Musk, die unsere Demokratie gefährden? Oder gegen den Kapitalismus mit seinen gläsernen Decken und Hamsterrädern? Die Hasen stellen Forderungen Cooke verbindet Bilder unserer Zeit mit mittelalterlichen Illustrationen von Kampf-Hasen. Verkehrte Welt heißen diese Bilder. In ihnen wird der Jäger zum Gejagten. Die Hasen nehmen Menschen gefangen und wehren sich gegen die Missstände. Und bei Hannah Cooke haben sie ganz klare Forderungen: „Meine Hasen fordern verschiedenste Rechte ein, also Rechte der Gleichberechtigung, soziale Gerechtigkeit, Klimagerechtigkeit. Es sind die großen Themen, die uns bewegen. Wer darf sich äußern in unseren Räumen, wie können wir diese an diesen Systemen rütteln oder sie irgendwie zumindest ins Wanken bringen?“ Bauernproteste heute und damals sind nicht gleich Hannah Cookes Spießspitzen stecken nicht auf langen Holzstangen. Sie hängen von der Decke – an dünnen Ketten, die beim kleinsten Luftzug zu schwanken beginnen. Etwas in Bewegung bringen, das wollen auch immer mehr Protestierende in Deutschland. Letztes Jahr blockierten Bauern mit ihren Traktoren Autobahnen und rollten bis vor das Brandenburger Tor. Mit diesen Protesten lassen sich die historischen Bauernaufstände allerdings nicht vergleichen. Heute demonstriert eine anerkannte Berufsgruppe für mehr Subventionen. Damals kämpften Unterdrückte für ihre persönlichen Freiheitsrechte, gingen auf die Barrikaden und riskierten dabei ihr Leben. Nicht in Häschen-Schockstarre verfallen Ihre Hasen sieht Hannah Cooke auf der Seite der hunderttausenden Menschen, die gerade jetzt ihre Stimme für unsere Demokratie und gegen Rechtsextremismus erheben. Die Mächtigen von Heute, sie sollten diese Demonstrierenden ernst nehmen, findet Hannah Cooke. Und wir, wir sollten als Gesellschaft zusammenhalten, Banden bilden. Angesichts von Krisen und Kriegen bloß nicht in eine Häschen-Stockstarre verfallen, das macht die Karlsruher Künstlerin klar: Mit ihrer Interpretation eines Spießrutenlaufes findet Hannah Cooke starke Bilder für eine komplexe Zeit.…
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SWR2 Kultur Aktuell
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Rund-um-die-Uhr-Überwachung durch eine Zehnjährige Was passiert, wenn es im eigenen Leben keinen Winkel Privatsphäre, kein einziges Geheimnis mehr gibt? Wenn man Tag und Nacht überwacht wird, und zwar nicht vom Staat oder irgendwelchen Algorithmen, sondern vom eigenen Kind? So geht es plötzlich Tobias und Julia, den Eltern von Marielle. Nach der Ohrfeige einer Freundin verfügt das Mädchen plötzlich über telepathische Fähigkeiten. Marielle durchschaut das oberflächlich harmonische Familienleben Was diese Überwachung für ihr Leben bedeutet, spüren Tobias und Julia schnell. Denn Marielle weiß nicht nur, dass Tobias Selbstdarstellung als harter Hund im Büro wenig mit der Realität zu tun hat. Sie musste auch mitanhören, wie sich die von ihrer Ehe angeödete Julia in der Firma mit einem Kollegen gemeinsamen Sex ausgemalt hat. Im Grunde erkennt das Mädchen mit einem Mal, dass das oberflächlich harmonische Familienleben auf tönernen Füßen steht. Und dass Erwachsene in Beziehungen offenbar ziemlich oft unehrlich miteinander umgehen, wie ein mitgehörtes Gespräch zwischen Julia und ihrer Freundin Annette zeigt. Marielle reportiert es ihrem interessierten Vater im Auto brühwarm. „Was Marielle weiß“ überzeugt als schräge Familienaufstellung mit viel Komik Regisseur und Drehbuchautor Frédéric Hambalek entwickelt die Grundsituation in „Was Marielle weiß“ zu einer schrägen Familienaufstellung. In schnellen witzigen Dialogen kostet er aus, wie Julia Jentsch und Felix Kramer als Eltern panisch versuchen, vor ihrer Tochter ihr bestes Ich zu zeigen oder zumindest den Anderen blöd dastehen zu lassen. Denn was sie sich seit Jahren über sich selbst und ihre Beziehung in die Tasche gelogen haben, hält dem unbestechlichen Blick der Tochter nicht stand. Dieses verschobene Machtverhältnis erzeugt einige sehr komische Momente. Regisseur Frédéric Hambalek bewahrt die Komödie vor dem Kippen Zum Beispiel wenn der konfliktscheue Tobias im Büro plötzlich für sein unsichtbares Publikum zu großer Form aufläuft. Oder wenn die Eltern in Gesprächen wie Theaterschauspieler für die Galerie performen, die eigentliche Botschaft aber höchstens noch im Subtext unterbringen können. Bevor es allerdings richtig weh tut und die Komödie ins Tragische kippen könnte, zieht Frédéric Hambalek die Handbremse. Statt die Eskalation auf die Spitze zu treiben, bekommt die Geschichte einen Dreh ins Moralische und trudelt etwas unentschlossen aus. Unterhaltsamer Film, der aber nicht so richtig in die Tiefe bohrt Unbeleuchtet bleibt zudem, was die ungewollten Einblicke ins Erwachsenenleben eigentlich mit einer Zehnjährigen machen und wie man sich das vorzustellen hat, wenn neben den eigenen Gedanken noch zwei zusätzliche Livestreams im Hirn einlaufen. „Was Marielle weiß“ untersucht die kleinen und großen Lebenslügen, in denen sich die saturierte deutsche Mittelschicht so bequem eingerichtet hat wie in ihren sterilen Wohnungen. So richtig in die Tiefe bohrt der Film dann zwar nicht in Fragen Überwachung, Vertrauen und Familienbeziehungen. Enorm unterhaltsam ist er aber allemal. Und man selbst unendlich dankbar, dass die eigenen Kinder nicht über diese Gabe verfügen. „Was Marielle weiß“ startet voraussichtlich am 17. April in den deutschen Kinos…
Deutsch sein als Teil von mir 15 Jahre. So lange lebe ich in Deutschland. Fast die Hälfte meines Lebens. Seit etwas mehr als zwei Jahren bin ich deutsche Staatsbürgerin. „Jede Stimme zählt“, sagt man – und ja, bei dieser Bundestagswahl zählt auch meine Stimme. Wenn Menschen mir sagen, ich sei „so deutsch“, verstehe ich es als Kompliment – mit all den Vor- und Nachteilen, die dieser Satz mit sich bringt. Und ich freue mich darüber, nicht weil „deutsch zu sein“ besser ist als etwas anderes, sondern weil es ein Teil von mir ist. Wir sind Teil dieser Gesellschaft Die deutsche Kultur, die Gepflogenheiten, das Essen, die Art zu diskutieren, die Art, Politik zu machen, all das hat mich geprägt und dazu beigetragen, die Person zu werden, die ich heute bin. Denn ich bin in Italien geboren und aufgewachsen, aber in Deutschland bin ich „erwachsen“ geworden. Und bei der ganzen Debatte um Migration, Remigration und dem Mangel an Arbeitskräften vergisst die Politik etwas Wichtiges: Ich lebe in Deutschland: mit allem, was dazugehört. Wir, die nicht gebürtigen Deutschen, sind Teil dieser Gesellschaft. Rund sieben Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte wählen in diesem Land. Deutschland als Heimat Wir leisten etwas für diese Gesellschaft, wir lachen in diesem Land, wir weinen, wir haben Freude, wir verlieben uns. Wir sind nicht nur Arbeiterinnen und Arbeiter, nicht nur „gute“ oder „schlechte“ Deutsche. Es geht um unser Leben. Wir, die „Fremden“ in unserem eigenen Land: Einwanderer, Asylsuchende, Gastarbeiterkinder. Wir alle prägen Deutschland und tragen dazu bei, dieses Land zu gestalten und seine demokratischen Werte zu schützen. Deshalb ist es mir so wichtig, endlich hier wählen zu dürfen. Ich will mitentscheiden, in welcher Art von Land ich lebe, denn es ist auch mein Land – der Ort, den ich Heimat nennen darf.…
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SWR2 Kultur Aktuell
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„Wir urteilen so schnell und so leicht und auch so verständlich von unserer heutigen Werten aus über die Menschen damals“, sagt Arno Frank in SWR Kultur. Und genau das wollte er nicht tun. Ensemble an Figuren Arno Frank hat ein Ensemble von Menschen nach Ginsterburg gesetzt: einen jungen Piloten, eine Buchhändlerin, einen Blumenhändler. Er wollte sich dann auch selbst überraschen lassen von diesen Figuren, von denen er anfangs nicht wusste, wohin sie gehen. Wie verändern sich diese normalen Menschen in ihrem normalen Alltag in diesen zehn Jahren? Wiederstehen sie den Versuchungen der Barbarei? Arno Frank hat als Journalist für die taz gearbeitet und schreibt heute für den Spiegel. Sein erster Roman „So, und jetzt kommst Du“ beschreibt Franks eigene Jugend mit einem kriminellen Vater, der seine Familie auf der Flucht vor der Polizei hinter sich her zieht, „er war kein großer Geschichtenerzähler, er war ein talentierter Verbreiter von Lügen“, sagt Arno Frank. Bis zu „Ginsterburg“ habe er dann lernen müssen, „es mit großen Themen aufzunehmen“.…
Als 1861 der Amerikanische Bürgerkrieg ausbrach, handelte es sich nicht nur um eine Auseinandersetzung zwischen den Befürwortern der Sklaverei und ihren Gegnern. Auf dem Spiel stand auch, in welche Richtung sich die Demokratie in den Vereinigten Staaten von Amerika entwickeln würde. Viele Bürger im Norden betrachteten die wohlhabenden Plantagenbesitzer im Süden mit Argwohn. Ihre Erscheinung erinnerte sie an die Aristokraten in Europa. Bei dem politischen Kampf gegen die Sklaverei ging es daher nicht allein um das Schicksal der Betroffenen, sondern vor allem darum, dass deren Existenz auch eine Bedrohung für die Demokratie darstellte. Das Versprechen der Gleichheit In ihrem 1991 erschienenen Essay über die historischen Grundlagen der amerikanischen Staatsbürgerschaft hat Judith Shklar diese mit der Sklaverei verbundene Beunruhigung in den Mittelpunkt ihrer politischen Überlegungen gestellt. Nun liegt ihr Essay erstmals in einer deutschen Übersetzung unter dem Titel „Wählen und Verdienen“ vor. An politischen Wahlen teilnehmen zu dürfen und seinen Lebensunterhalt selbst verdienen zu können, sind nach Shklar die beiden Aspekte amerikanischer Staatsbürgerschaft, die im American Dream zu einem einzigartigen Versprechen verschmolzen sind. Beides wurde den Sklaven vorenthalten, warum ihr Schicksal eine Warnung bedeuten konnte, aber zugleich auch Abneigung erzeugte, wie die Politologin ausführt: Wie wir wissen, rief der Bürgerkrieg vor allem unter den städtischen Arbeitern des Nordens keine Begeisterungsstürme hervor, und Rassismus war unter ihnen weit verbreitet. Wenn Sklaverei als eine Bedrohung und Anomalie in einer demokratischen Gesellschaft gefürchtet war, dann war der Sklave in Wirklichkeit noch sehr viel mehr verachtet und gehasst. Die Ideologie der freien Arbeit fürchtete die Sklaverei, aber hasste den Sklaven. Quelle: Judith N. Shklar – Wählen und Verdienen Der Kampf um das Wahlrecht In der amerikanischen Gesellschaft stellte die Sklaverei einen schwerwiegenden Widerspruch dar. Inmitten der Neuen Welt, die allen Bewohnern die gleichen Bürgerrechte zusicherte, lebten Menschen, die aller Rechte beraubt waren. Dass das überhaupt möglich war, trieb vor allem diejenigen um, die ebenfalls nicht in den vollen Genuss der Bürgerrechte kamen. Weder Arbeiter noch Frauen durften wählen. Auch wenn ihnen niemals drohte, versklavt zu werden, verglichen sie ihre politische Stellung dennoch mit der Existenz der Sklaven. So war es ausgerechnet die Sklaverei, die den Kampf um das allgemeine Wahlrecht in Gang setzte, wie Shklar erläutert: Was der Staatsbürgerschaft als Stellung ihre historische Bedeutung verlieh, ist nicht die Tatsache, dass sie für so lange Zeit so vielen verweigert wurde, sondern, dass diese Exklusion in einer Republik geschah, die nach außen hin der politischen Gleichheit verpflichtet war und deren Bürger glaubten, dass sie einer freien und gerechten Gesellschaft angehörten. Quelle: Judith N. Shklar – Wählen und Verdienen Das Recht auf Arbeit Der hohe Wert, der in Amerika bereits im 19. Jahrhundert über alle Schichten hinweg dem Wahlrecht und der Arbeit beigemessen wurde, hat für Shklar in der Sklaverei seinen historischen Ausgangspunkt. Obwohl sich das Mitgefühl mit den Sklaven aufgrund eines weit verbreiteten Rassismus in Grenzen hielt, bildeten sie dennoch den Gegenpol zur Vorstellung eines freien Amerikaners, der sich selbst erhält und selbst bestimmt. Die Folgen dieser Entwicklung sind bis heute spürbar. So hat sich in den USA nie ein Sozialstaat herausgebildet. Alle politischen Institutionen sind dem Ziel der Vollbeschäftigung verpflichtet. Der self-made man, und heute auch die Frau, ist das Ideal der amerikanischen Gesellschaft. Judith Shklar, die bis zu ihrem Tod eine führende Vertreterin des Liberalismus war, hat mit diesem Essay ihrer politischen Haltung ein Denkmal gesetzt.…
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